Awareness Selbstverständnis

Im Großen und Ganzen bedeutet Awareness die Praxis, füreinander sensibel zu sein. Dies betrifft sowohl die Gefühle und Bedürfnisse anderer Menschen als auch die unterschiedlichen Machtdynamiken und Formen der Diskriminierung in unserer Gesellschaft. Wir leben in einer Gesellschaft, die von ungleichen Machtverhältnissen geprägt ist. Menschen haben Vorteile (Privilegien) und Nachteile (Diskriminierungen) aufgrund ihrer Position in dieser ungleichen Gesellschaft – ob bewusst oder unbewusst ausgeübt. Kein Mensch ist frei von Vorurteilen und Diskriminierung im Umgang mit anderen. Deshalb muss eine bewusste Reflexion darüber bei jedem Einzelnen stattfinden (Kritische Selbstreflexion).

Awareness ist für uns eine Praxis, sich gegen jede Art von Diskriminierung, Gewalt und Grenzverletzung zu stellen und zu versuchen, die Betroffenen zu unterstützen. Verhaltensweisen, die andere verletzen oder deren Grenzen verletzen, wie sexistische, rassistische, antisemitische, homophobe, transphobe, ableistische, klassistische oder vergleichbare Übergriffe, werden vor, während und nach der Aktion oder in den Räumen, die mit der Aktion in Verbindung stehen, nicht toleriert.

Das bedeutet, dass Awareness als politische Praxis nicht nur auf zwischenmenschliche Beziehungen abzielen darf, sondern auch auf gesellschaftliche Strukturen, die Diskriminierung und Gewalt fördern oder erzwingen. Ziel der Awareness ist es demnach, verinnerlichte Denk- und Handlungsweisen, die diskriminierend oder grenzüberschreitend wirken und Machtstrukturen reproduzieren, aufzudecken und zu verlernen und gleichzeitig Solidarität mit den Betroffenen zu zeigen.

Achtsamkeit als Gruppenverantwortung

Auch wenn es ausgewiesene Awareness-Leute geben wird, dürfen wir nicht vergessen, dass Awareness in der Verantwortung eines jeden von uns liegt. Wir möchten jeden dazu ermutigen, sich selbst kritisch zu reflektieren. Welche Bedürfnisse hast du? Wo sind deine Grenzen?

Hinterfragt eure Sozialisation und eure eigene Positionierung in der Gesellschaft – vor allem in den Bereichen, in denen ihr Privilegien genießt -, damit ihr durch diese Erkenntnis achtsamer werdet und besser in der Lage seid, in diskriminierenden Situationen zu handeln. Achte darauf, wie du diese Vorurteile reproduzierst, und sei sensibel für unterschiedliche Wissensstände in Gesprächen. Auch deine Sozialisation spielt eine Rolle dabei, wie du dich verhältst und wie du sprichst. Berücksichtige daher deine Dominanz oder Zurückhaltung in Gruppensituationen. Lass andere reden, höre zu und reagiere auf andere. Achte darauf, dass deine Redeanteile nicht überhand nehmen. Benutze am besten Aussagen in der ersten Person, wenn du deine Gefühle und Bedürfnisse benennst, z. B.: “Die Aussage von XY hat mich verletzt. Ich habe das Bedürfnis, mit dir über diese Situation zu sprechen / Ich brauche Ruhe oder Abstand.”. Vermeide Formulierungen, die du bereits interpretiert hast, wie z. B. “Dein Verhalten ist beschissen”.

Wenn du spürst, dass es einer Person nicht gut geht oder sie sich unwohl fühlt, gehe auf die Person zu und frage nach, ob sie Unterstützung wünscht oder etwas braucht. Versuche, einen Raum zu schaffen, in dem unausgesprochene Dinge, wie Sorgen oder Ängste, angesprochen werden können oder in dem Menschen die Möglichkeit haben, sich zurückzuziehen. Nimm den Druck aus den Situationen so weit wie möglich heraus und gehe einfühlsam mit den Menschen um dich herum um. Achte auch auf deine eigenen Fähigkeiten. Wenn du dich im Moment nicht in der Lage fühlen, andere zu unterstützen, teile anderen Menschen deine Eindrücke mit und bitte sie um Unterstützung.

Grenzen

Sei dir der Grenzen anderer bewusst und respektiere sie. Dies gilt insbesondere in Situationen, in denen du die Bedürfnisse deines Gegenübers nur schwer einschätzen kannst. Wenn du dir über die Grenzen einer anderen Person unsicher bist, frage nach. Bestehe nicht auf Rechtfertigungen oder Begründungen, sondern akzeptiere die Bedürfnisse deiner Mitmenschen so, wie sie sich darstellen. Du kennst deinen Körper am besten. Lass dir von anderen nicht sagen, wie du dich fühlst. Denke daran, dass du dich in betrunkenen Situationen anders verhältst und kenne deine eigenen Grenzen.

Awareness in der Kritik

Bei allen Fragen rund um das Thema Achtsamkeit ist niemand von uns perfekt: Uns allen kann misgendering passieren, wir alle verwenden gelegentlich falsche Worte, wir alle arbeiten manchmal über unsere Kapazitäten hinaus, sehen die Bedürfnisse anderer nicht oder überschreiten unbeabsichtigt Grenzen. Die Frage ist: Wie gehen wir damit um, wenn wir darauf hingewiesen werden?

Wenn andere dich auf Fehler hinweisen, solltest du nicht gleich in die Defensive gehen. Nimm dir einen Moment Zeit, atme tief durch und bedenke, dass es in der Regel auch ein Zeichen von Vertrauen ist, wenn sich die Person an dich wendet. Sie traut dir zu, dass du mit der Kritik umgehen und dich ändern kannst – auch wenn sich das vielleicht nicht im Tonfall widerspiegelt. Achte auf deinen Körper, besonders wenn die Kritik hart und verletzend war. Es kann sein, dass du (oder die andere Person) dadurch irritiert wirst – das kommt oft vor. Wenn dies der Fall ist, ist es oft gut, mit der Reaktion zu warten, bis du dich beruhigt hast. Nimm dir die Zeit, die du brauchst, oft hilft auch etwas Bewegung. Wenn du nicht sofort antworten kannst oder willst, hilft es in der Regel, wenn du mitteilst, wann du auf das Thema zurückkommen kannst: Zum Beispiel: “Okay, danke, dass du es mir gesagt hast. Ich brauche einen Moment, um das zu verarbeiten. Kann ich in einer halben Stunde noch einmal mit dir darüber sprechen?”. Gleichzeitig ist es hilfreich, nicht zu erwarten, dass die Person, die dich angesprochen hat, die Zeit oder Energie hat, sich weiter mit dir zu beschäftigen. In solchen Fällen könnt ihr euch gerne an das Awareness-Team wenden.

Geschlecht und geschlechtergerechte Sprache

Wir haben gelernt, anderen Menschen aufgrund äußerer Merkmale in Sekundenbruchteilen ein Geschlecht (wie “nicht-binär”, “männlich”, “weiblich”, …) zuzuordnen. Das Geschlecht einer Person ist jedoch ein komplexer Zusammenhang, der nicht durch äußere Merkmale bestimmt wird und oft zu falschen Zuordnungen führt. Es kann eine sehr schmerzhafte Erfahrung sein, das falsche Geschlecht zugewiesen zu bekommen. Die Entstehung des heute vorherrschenden binären Geschlechtersystems ist eines der prägenden Instrumente von Kolonialismus und Patriarchat. Der Anspruch, anderen Menschen ein Geschlecht zuzuweisen, hat eine lange Geschichte von Ausbeutung und Gewalt. Im Deutschen und in vielen anderen Sprachen ist nach wie vor das “generische Maskulinum” üblich, d.h. die männliche Anrede wird als allgemein angemessen für alle angenommen. Auch dies trägt dazu bei, nicht-männliche Personen weniger sichtbar zu machen. Ein guter Grundsatz ist hier: Ordne nicht anderen Menschen ein Geschlecht zu. Um zu vermeiden, dass du anderen versehentlich oder fahrlässig das falsche Geschlecht zuordnest, können die folgenden Maßnahmen helfen: Verwende die Pronomen, die eine Person wünscht (“er”, “sie”, “sie”, …). Wenn du dir unsicher bist, kannst du immer auf geschlechtsneutrale Formulierungen zurückgreifen: “Die Person da drüben …” statt “Der da drüben …”. Je nach Vertrauensverhältnis kann auch die Frage nach dem Pronomen eine Option sein – beachte aber, dass du in Einzelfällen auch ungewollt Druck ausüben könntest, sich zu outen. Auch bei der Ansprache von Gruppen ist eine geschlechtsneutrale Formulierung fast immer die richtige Wahl: “Hallo zusammen…” statt “Sehr geehrte Damen und Herren…”. Gender und insbesondere Transition wird derzeit von der Rechten als politisches Schlachtfeld inszeniert. Dabei ist zu beachten, dass viele Begriffe, die uns als “normal” verkauft werden, um über Geschlecht zu sprechen, auch in anderen Kontexten als Codes funktionieren: Zum Beispiel kann die Rede vom “biologischen” oder “natürlichen” Geschlecht dazu benutzt werden, extreme ideologische Positionen zu verstecken oder sogar das Gespräch absichtlich in eine Richtung zu lenken, die einen Angriff auf trans Menschen ermöglicht.

Klassismus

Klassismus ist eine Form der strukturellen Diskriminierung aufgrund der sozialen Herkunft. Die soziale Herkunft wird durch den Besitz verschiedener Formen von Kapital beeinflusst, z. B. wirtschaftliches, soziales oder kulturelles Kapital. Was als jeweiliges Kapital anerkannt wird, wird von Privilegierten (denjenigen, die dieses Kapital besitzen) bestimmt und unterliegt einer bürgerlichen (klassistischen) Perspektive. Menschen, die aus prekären Verhältnissen kommen oder deren Verhalten oder Sprache nicht den klassenbedingten Erwartungen entsprechen, erfahren in diesem Prozess eine Abwertung, während Menschen mit einem Hintergrund aus der Mittel- oder Oberschicht eher bestätigt und gestärkt werden. In einem Umfeld wie der Klimagerechtigkeitsbewegung, das tendenziell von sozialisierten Menschen der Mittel-/Oberschicht dominiert wird, kann dies beispielsweise dazu führen, dass sich die Betroffenen unwohl, unsicher oder fehl am Platz fühlen, ihr Sprachverhalten einschränken, unerwünschte Aufgaben übernehmen oder sogar die Teilnahme vermeiden. Für die Konferenz bedeutet das z.B., nicht davon auszugehen, dass alle genug Geld haben, um entspannt dabei zu sein, wissenschaftliche oder szenespezifische Sprachkenntnisse nicht als selbstverständlich vorauszusetzen und ggf. zu erklären und sich auch der eigenen Positionierung (und idealerweise auch der Positionierung anderer) bewusst zu sein und diese kritisch zu hinterfragen.

Drogenkonsum

Wenn du Drogen (einschließlich Alkohol und Nikotin) in Räumen konsumieren willst, die du mit anderen teilst, beachte bitte Folgendes: Achte auf deine Mitmenschen und stelle sicher, dass sie sich durch deinen Konsum nicht gestört fühlen. Berücksichtige mögliche Rauch- und Geruchsbelästigungen, die von manchen Menschen als unangenehm empfunden werden können. Verwende Aschenbecher und entsorge die Abfälle ordnungsgemäß. Komm ausgeruht und nüchtern zu der Aktion. Andere Menschen verlassen sich auf dich! Kenne dein Limit.